Beim Dating nicht verstellen – Kurierartikel
Romance Gap: Warum man sich beim Dating nicht verstellen sollte
Welche Rolle Geschlechterstereotype beim Daten haben und wie man sich daraus befreit, endlose Spielchen zu spielen.
Das erste Date lief gut, man verstand sich blendend, konnte gemeinsam lachen und sich stundenlang unterhalten. Am Weg zur U-Bahn der erste Kuss. Ein zweites Date kann man eigentlich kaum erwarten. Soll man gleich eine Nachricht schreiben, wie schön man den Abend fand? Oder lieber Coolness vermitteln und ein, zwei Tage damit warten?
Spätestens an diesem Punkt beginnt der sogenannte Romance Gap zu greifen. Denn – wenig überraschend – spielen auch beim Dating Geschlechterstereotype eine große Rolle. Ob man sich dessen nun bewusst ist oder nicht. Und die Lücke zwischen Realität und den ans Geschlecht gekoppelten Erwartungshaltungen und Verhaltensweisen beschreibt der Romance Gap.
Erwartungshaltungen
Eine von der Datingplattform Bumble in Auftrag gegebene und in mehreren europäischen Ländern durchgeführte Umfrage widmete sich nun diesem Thema. Das Ergebnis: knapp mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten geben an, dass geschlechtsspezifische Rollen ihr Verhalten so beeinflussen, dass sie sich verstellen. So haben 33 Prozent der befragten Frauen ihr Verhalten schon einmal angepasst, damit das Gegenüber sich überlegen oder wohler fühlt. 44 Prozent meinen, dass Frauen beim Daten vermeiden sollten, verzweifelt zu wirken.
Erwartungshaltungen, die teils auch im direkten Widerspruch zueinander stehen, gibt es auch an Männer: 30 Prozent der Befragten geben an, dass Männer nicht zu interessiert oder anhänglich wirken sollen, gleichzeitig spüren 27 Prozent der Männer den Druck, die Initiative ergreifen zu müssen.
“Einfach mal drauf losgehen”
Singlecoach Eva Fischer überrascht das Ergebnis der Umfrage ganz und gar nicht. „Die Menschen denken tagelang drüber nach, was sie wie machen sollen, und wie es sich am ehesten gehört, anstatt einfach mal drauf loszugehen und vielleicht einen Fehler zu riskieren“, berichtet sie von ihren Eindrücken. „Ich rate dazu, der eigenen authentischen Wahrnehmung zu vertrauen und auch einmal ein Risiko einzugehen. Trauen Sie sich, echt zu sein, orientieren Sie sich daran, was sich für Sie selbst wahr anfühlt – statt vor Angst lieber gar nichts zu tun.“
Unecht in die Beziehung
Verstelle man sich nämlich bei den ersten Verabredungen, habe das auch Konsequenzen für daraus folgende Beziehungen, meint die Expertin. „Man kann sich auf diese Weise nicht wirklich kennenlernen.“ Gibt man sich also als Frau betont zurückhaltend, weil man unter keinen Umständen den Eindruck erwecken will, verzweifelt auf Partnersuche zu sein, oder ergreift als Mann immer die Initiative, weil man denkt, dass das so erwartet wird, kommt man oft erst spät zu der Erkenntnis, dass man eigentlich nicht zueinander passt. „Zeigen Sie sich daher so, wie Sie sind! Man kann bei dem oder der Richtigen nichts falsch machen und bei der oder dem Falschen nichts richtig“, sagt Fischer.
Dass Dating, aller Apps und Plattformen zum Trotz, über die Jahre nicht einfacher geworden ist, räumt sie gern ein. „Es ist anders kompliziert. Die Auswahl ist größer, die Ansprüche höher – für die wenigen, die dann noch im Filter überbleiben, muss dann in der Vorstellung alles filmreif laufen“, erklärt Fischer, warum der Romance Gap auch heute noch eine Rolle spielt. „Es ist ein übertriebenes Korsett an Regeln geworden.“
Was rät der Singlecoach nun jenen, die mit dem Handy in der Hand hadern, ob sie die Nachricht nun abschicken sollen oder ob das am Ende zu enthusiastisch wirkt? „Sobald Sie hadern, haben Sie Ihre Impulse schon verlassen. Lassen Sie kurz los, atmen Sie durch und fragen Sie sich ‚Was würde ich machen, wenn ich nichts falsch machen könnte?‘ Und dann tun Sie genau das.“